Mutterschaft auf Eis
Vor Kurzem wurde ich von einer jungen Frau gefragt ob das ‘ social egg freezing’ in meiner Sprechstunde ein Thema sei, ob viele Frauen ihre Eizellen einfrieren würden. Sie sei bis vor wenigen Wochen in Zürich wohnhaft gewesen und unter ihren Freundinnen sei das durchaus eine Option um Familiengründung und Karriere besser vereinbaren zu können. Ich war etwas erstaunt den in meiner Berner Sprechstunde war das bis anhin tatsächlich ( noch ) kein Thema.
Schon immer wurde versucht die biologische Uhr zu überlisten, die eigene Attraktivität, Leistungsfähigkeit und die Fruchtbarkeit möglichst lange zu erhalten.
Ueber das ‘social egg freezing’ konnte man erstmals in der Zeitung lesen, als Grosskonzerne wie Google, Apple und Facebook ihren jungen gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen eine ungestörte Karriere ermöglichen und an sich binden wollten indem sie ihnen auf Firmenkosten eine Kryokonservation ihrer Eizellen finanzierten. Im Gegenzug wurde erwartet dass die Frauen bis mindestens 40- jährig nicht schwanger werden.
Mit ‘social egg freezing’ ist also eine Kryokonservierung ( Einfrieren ) der Eizelle gemeint mit dem Ziel die Schwangerschaft auf einen späteren, passenderen Zeitpunkt zu verschieben und die fruchtbare Lebensspanne zu verlängern.
Kryokonservierung von Eizellen oder Eierstockgewebe sind schon seit einige Jahre bekannt und seit 2012 in der Schweiz erlaubt. Bis anhin wurde sie aber nur bei Frauen angewendet die an Krebs litten, die eine zellschädigende Behandlung benötigten oder bei Frauen mit drohender vorzeitiger Menopause.
Neu ist, dass heute auch junge gesunde Frauen eine Kryokonservierung wünschen. Die Vorstellung noch in fortgeschrittenem Alter einfach schwanger zu werden ist verführerisch aber trügerisch. Auch bei einer artifiziellen Befruchtung mit den aufgetauten Eizellen, spielt das mütterliche Alter eine entscheidende Rolle. Selbst bei idealen Voraussetzungen (Mutter fit und gesund) und modernster Reproduktionsmedizin beträgt die Chance ein Kind zu bekommen 20- 25% (bei Alter > 45 Jahre ).
Ist eine mit Hilfe der modernen Reproduktionsmedizin entstandene Schwangerschaft eingetreten, ist ein glücklicher Ausgang immer noch ungewiss. Ein fortgeschrittenes Alter der schwangeren Frau ist häufiger mit Komplikationen für Mutter und Kind verbunden.
Um ein erfolgreiches Einfrieren der Eizelle zu realisieren, sollte die Frau bei Eizellentnahme auch nicht älter als 35- jährig sein. Sie muss auch einiges auf sich nehmen: die Eizelle wird mit Hormonen zur Reife gebracht und anschliessend unter Narkose oder Lokalanästhesie entnommen. Bis geeignete Eizellen entnommen werden können braucht es aber eventuell über Monate Hormonbehandlungen.
Die Eizellen dürfen 10 Jahre lang im Eis gelagert werden, bei Krebspatientinnen unbefristet. Die ganze Prozedur ist nicht ganz billig: es wird mit Kosten von ca. 10’000.- Franken gerechnet, ohne anschliessende artifizielle Befruchtung. Die Kosten müssen selbst übernommen werden.
Ich bin nicht sicher ob das ‘social egg freezing’ den Frauen wirklich zusätzlichen Nutzen, Freiheit und Glück in ihr Leben bringt. Der gesellschaftliche Druck ein Kind zu gebären könnte auch zunehmen, suggeriert die Methode doch dass eine Mutterschaft in jedem Alter möglich ist. Und es birgt eine grosse soziale Ungerechtigkeit mit sich: spätes Mutterglück aus dem Eis ist nur den  finanzkräftigen Frauen vorbehalten.